Wieviel Geschichte lässt sich auf einer Gelatinsilberschicht einschreiben? Verflüchtigt sich die Präsenz eines Gesichtes mit der Zeit oder schreibt sie sich ins Bild ein?

Mit Belichtungszeiten von teilweise über einer Stunde habe ich mit einer grossen 8 x 10inch Plattenkamera Gesichter festgehalten. Während des Fotografierens habe ich mit den Portraitierten gesprochen. Die Stimmung war entspannt und konzentriert. Aus Erfahrung weiss ich, Licht erzeugt ein Bild. Aber Licht lässt auch vieles verschwinden. Technisch ist das nachvollziehbar als Teil des physikalisch- chemischen Prozesses der analogen Fotografie. Was mich aber neugierig macht und zum Suchen treibt, sind die Reste dieser Niederschreibung des Lichtes in den Porträts. Es ist mein Versuch im Bild an die Essenz des Gesichtes, des Menschseins unter der Oberfläche vorzudringen.

 

Margrit Atwood schreibt in der Erzählung im Buch „Moralische Unordnung“ treffend:

 

Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie meine Mutter
damals aussah. Nein: wie ihr Gesicht aussah. Über ihr Gesicht
haben sich so viele Versionen gelegt, Sedimentschichten gleich,
dass ich offenbar nicht mehr in der Lage bin, jenes andere,
frühere Gesicht freizulegen.

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